Kapitel 10 – Vampirbiss

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Kurojoshi und Nekomaru haben Shedu kontaktiert. Dabei erfuhren sie, dass Sangras Diener in Inekoria nach einem blonden und einem schwarzhaarigen Jungen suchen. Nekomaru war sofort bewusst, dass er und Xenos gemeint sind. Also beschlossen die junge Hohepriesterin und Nekomaru, möglichst schnell zu Noah und Xenos aufzuschließen. Diese haben bereits begonnen, im Bambusdickicht nach den verschwundenen Männern vom überfallenen Sägewerk zu suchen.

Während sie sich schnellstmöglich auf den Weg zum Stadttor machen, denkt Kurojoshi über das nach, was sie von Niji und der Dämonenfürstin der Katzen, Shedu, erfahren hat. Der Junge hat furchtbare Dinge getan. Kann sie darüber einfach hinwegsehen? Er scheint sich ändern zu wollen. Doch lange kennt sie ihn noch nicht. Was, wenn er das alles nur vorspielt? Er scheint seine wahren Absichten gut verschleiern zu können. Die Familie, die er in der Kaiserstadt betrogen hat, soll nur einer von vielen Fällen sein. Vielleicht ist Nekomaru gerade dabei, ein weiteres Mal seine Umwelt zu hintergehen. Soll sie ihm vertrauen? Sie würde gern. Sie fühlt eine eigenartige Verbundenheit mit ihm. Vermutlich, weil sie beide berüchtigte Dämonenkinder sind.

Kurojoshi würde gern länger darüber nachdenken. Die beiden verlassen Inekoria. Sie biegen in den Wald ein und dort blicken sie in bereits vertraute Gesichter, die sich ihnen langsam entgegenschleppen. Noah trägt den bewusstlosen Xenos auf seinem Rücken, während Lamilia, die heimliche Vampirin, den vier verletzten Männern bestmögliche Unterstützung zukommen lässt.

Sofort stürmt Nekomaru auf Noah zu: „Was ist passiert?“

„Ich bin mir nicht sicher. Er war im Wald auf einmal wie besessen und hat uns angegriffen. Fast hätte er uns beide getötet. Doch dann gab es dieses Licht und ich spürte diese Stärke. Ich wollte, dass er aufhört und dann habe ich mich gewehrt und er ging zu Boden.“

Der blondhaarige Junge wird wütend: „Du? Du hast ihn angegriffen?“

„Es war Notwehr!“, rechtfertigt sich Noah.

„Oh ja, selbstverständlich. Wenn andere sich wehren rumjammern und sich beschweren. Dann überkommt dich der Gedanke von etwas Mut und Stärke und plötzlich findest du es gut, oder wie?“

„Ich bin nicht stolz darauf.“

„Lass ihn runter“, zeigt Nekomaru wutentbrannt zu Boden. „Wir hätten einem Sohn der Götter niemals vertrauen dürfen.“

Nekomarus Anfeindungen treffen Noah. Doch er entschließt sich, nicht weiter auf den aufgewühlten Jungen einzugehen. Vorsichtig setzt er Xenos ab, der von Nekomaru entgegengenommen wird. Dieser wendet sich daraufhin ab und kehrt zur Stadt zurück.

Kurojoshi hat sich währenddessen bei Lamilia nach dem Zustand der Waldarbeiter erkundigt. Sie ist froh, alle von ihnen wiederzusehen. Zusammen mit Noah machen sie sich ebenfalls wieder auf nach Inekoria.

Erst im Tempel treffen alle wieder aufeinander. Für die Verletzten wird ein Raum zur Verfügung gestellt, in dem ihre Verletzungen behandelt werden. Nekomaru kniet bereits vor Xenos‘ Bett, als schließlich Kurojoshi, Lamilia und Noah mit den anderen vier Männern in den Raum geleitet werden.

Nekomaru erhebt sich und dreht sich zu den anderen. Gefasst tritt er ihnen gegenüber. Lamilia ist gerade dabei, sich von ihnen zu verabschieden. Sie will so weit wie möglich von hier fort sein, bevor Xenos erwacht und sie als Vampir enttarnen kann.

„Einen Moment bitte“, spricht Nekomaru entschlossen.

Noah reagiert verwundert: „Willst du dich entschuldigen?“

„Nein“, antwortet er plump.

„Was dann?“

Der Junge deutet auf Lamilia: „Ich möchte wissen, wer das ist.“

„Das ist Lamilia. Sie hat Xenos und Noah zu den Vermissten geführt“, antwortet Kurojoshi. „Sie ist ein wahrer Schutzengel. Lamilia hat sich der Männer angenommen und ihre Wunden versorgt.“

„Xenos wurde gebissen. Es sieht sehr nach dem Biss eines Vampirs aus.“

Ungläubig stellt Noah eine für ihn plausiblere Theorie auf: „Es könnte doch auch eine Schlange gewesen sein. Hier gibt es keine Vampire.“

„Das würde ich auch vermuten, wenn ich nicht bereits wüsste, dass sich in Inekoria Diener Sangras, der Dämonenfürstin des Blutes, herumtreiben.“

Kurojoshi nickt: „Es wurden zwei verdächtige Personen festgenommen. Vielleicht haben wir wirklich Vampire unter uns.“

Der weißhaarige Junge ist geschockt.

„Du hast gesagt, Xenos habe euch angegriffen. Erzähl mir das noch einmal.“ Nekomaru grinst verstohlen: „Ich bin mir sicher, er kannte den Vampir.“

Lamilia wird nervös. Ihre Schwestern in der Stadt wurden bereits entdeckt. Und dasselbe droht ihr nun auch.

Noah überlegt: „Ich war bei meinem Papa in der Höhle. Und als ich Explosionen hörte, habe ich mich aufgemacht, nach Xenos und Lamilia zu schauen. Die beiden waren dabei Wasser zu holen. Als ich sie fand, war Xenos schon völlig außer sich.“ Der Junge hält inne. Ihm wird klar, worauf Nekomaru hinaus will: „Er griff Lamilia an und ich habe eingegriffen, um sie zu schützen. …“

Die Blicke aller fallen auf das hilfsbereite Mädchen. Sie hebt ihre Hände schützend vor sich und weicht zurück.

„Ich bin kein Vampir! Da war ein eigenartiges Geräusch hinter mir, als ich am Bach Wasser geschöpft habe. Da drehte ich mich um und sah nur, wie Xenos hin und her wankte. Ich fragte was passiert sei, doch dann begann er schon alles anzugreifen. Überall begannen Explosionen. Er war völlig außer sich. Es wirkte wie ein verheerender Wutanfall. Dann begann er mich anzugreifen. Ich verstand nichts mehr, aber zum Glück kam kurz darauf Noah um mir zu helfen.“

Alle schweigen. Ihr Herz bleibt stehen. Sie kann nur noch hoffen, sich dadurch herausreden zu können.

„Das klingt plausibel“, stimmt Noah zu.

Nekomaru schüttelt den Kopf: „Ich bin mir immer noch sicher, dass er dich mit Absicht angegriffen hat. Xenos weiß, was er tut.“

Auch Kurojoshi zweifelt an der Aussage des Mädchens: „Wir haben keine Beweise. Aber sobald Xenos erwacht, kann er uns hoffentlich erzählen, was passiert ist. Ich bitte dich, solange noch bei uns zu bleiben, Lamilia.“

„Wenn er aber bereits unter ihrer Kontrolle steht, wird er sie entlasten!“, wirft Nekomaru ein. „Ich bin dafür, wir unterziehen sie einem eindeutigen Test.“

Alle drei schauen ihn neugierig an. Dann zieht er seinen versteckten Dolch am hinteren Hosenbund hervor.

„Wir schneiden ihr einfach die Kehle durch. Steht sie wieder auf, ist sie ein Vampir. Jeder weiß, dass Vampire durch solche Waffen nicht sterben. Bleibt sie tot, war sie kein Vampir.

Kurojoshi und Noah schauen ihn verächtlich an.

„Das ist abartig und grausam! Wolltest du dich nicht ändern?“, fragt die Hohepriesterin ihn vorwurfsvoll.

Nekomaru rollt mir den Augen: „Gut. Wir warten. Ich hoffe, Xenos kann eine gute Erklärung bieten, die Lamilia eindeutig entlastet.“

Die gesamte Nacht wachen die Kinder übereinander und vor allem über Xenos. Als die ersten Sonnenstrahlen den Schein der kleinen Kerzen überlagern, ist es schließlich soweit. Xenos stöhnt und öffnet langsam seine Augen. Alle blicken ihn erwartungsvoll an. In Lamilia hat sich ein kleines, vergebliches Fünkchen Hoffnung angesammelt, Xenos doch noch unter ihre Kontrolle zu bringen. Dennoch lässt sie sich nicht anmerken, dass ihre Angst vielfach überwiegt.

Direkt stürzt sich Nekomaru auf den geschwächten Jungen: „Xenos! Was ist im Wald passiert? Lamilia ist ein Vampir, richtig?“

Der Nekromant besinnt sich: „Da war ein Vampir.“

Erneut verspürt Lamilia, wie ihr Herz aufhört zu schlagen. Sofort wendet sich Nekomaru zu ihr und richtet sich auf. Auch Kurojoshis Blick schnellt zu ihr, während Noah Xenos‘ Worten ungläubig folgt.

„Lamilia und ich waren dabei Wasser zu schöpfen als ich plötzlich gebissen wurde“, führt Xenos weiter aus. „Ich konnte ihn nicht mehr erwischen. Ich verlor die Kontrolle über mich. Doch jetzt besitze ich sie wieder. Meine Magie hat mich geschützt.“

„Ich wusste es“, packt Nekomaru Lamilia an ihrem roten Umhang. „Ich wusste gleich, dass du der Vampir bist.“

„Lamilia war es nicht“, fügt Xenos plötzlich an. „Sie kann es nicht gewesen sein. Jemand anderes war auch dort.“

Ungläubig lässt Nekomaru von dem Mädchen ab: „Wer war es dann? Einer der Männer?“

„Die waren die ganze Zeit bei mir“, meint Noah.

Lamilia atmet auf. Sie kann es selbst kaum glauben. Xenos hat sie nicht verraten? Steht er nun doch unter ihrer Kontrolle? Oder gibt es einen anderen Grund, warum er nicht die Wahrheit spricht?

Erleichtert setzt sich Nekomaru wieder zu Boden: „Du bist dir sicher, dass sie es nicht war?“

Der Junge nickt.

„Aber selbst wenn nicht, musst du doch jetzt unter der Kontrolle eines Vampirs stehen.“

Xenos streckt seine Hand aus und zieht Nekomaru zu sich heran. Er flüstert leise in sein Ohr.

„Meine Totenform. Ich habe ihr die Kontrolle überlassen. Ich habe Lamilia und Noah angegriffen. Zum Glück konnte Noah mich aufhalten. Und jetzt bin ich hier aufgewacht. Ich habe wieder die Kontrolle über mich. Die Kontrolle meiner Totenform war stärker als die des Vampirs. Und durch Noah wurde die Kontrolle der Totenform noch einmal unterbrochen. Scheinbar wussten sie glücklicherweise nicht, dass es eine nekromantische Kraft ist.“

Nekomaru nickt und wendet sich den anderen zu: „Dann habe ich scheinbar falsche Schlüsse gezogen. Noah und Lamilia haben Xenos geholfen.“

„Willst du dich jetzt entschuldigen?“, fragt Kurojoshi.

„Nein“, antwortet er, „man kann sich immer mal irren.“

Kurojoshi und Noah rollen mit den Augen.

Mit der Entschuldigung, nun endlich wieder zu ihren Eltern zurückkehren zu können, verabschiedet sich Lamilia. Sie kann sich immer noch nicht sicher sein, ob Xenos unter ihrer Kontrolle steht. Das Risiko, in dieser Situation enttarnt zu werden, will sie nicht länger eingehen. Kurz darauf erhebt sich Xenos. Im Gegensatz zu den anderen sieht er relativ ausgeschlafen aus. Er erkundigt sich nach einem Bad, woraufhin auch er den Raum verlässt. Nekomaru schaut ihm nach.

Sobald der Nekromant ein Stück vom Raum, in dem die anderen warten, entfernt ist, beginnt er nach Lamilia zu rufen. Doch niemand scheint ihn zu hören. Nach kurzer Zeit gibt er es auf und begibt sich zum Bad, welches ihm beschrieben wurde. Er biegt in den nächsten Gang ein. An der Tür, die ihn an sein Ziel führt, steht schließlich das Mädchen im roten Umhang, welches er gerufen hatte.

„Lamilia! Du hast mich erhört. Ich danke dir.“

„Was gibt es noch?“, will sie wissen.

„Du warst der Vampir. Ich weiß es. Aber ich habe dich nicht verraten. Niemals würde ich das tun!“

„Du meinst“, Lamilia wird stutzig, „der Biss hat gewirkt? Du verehrst mich?“

„Ja.“

„Du begehrst mich?“

„Ja.“

„Du wirst mir dienen?“

„Natürlich.“

„Du gibst das sicher nur vor“, bleibt sie misstrauisch.

„Nein! Niemals würde ich das tun“, fällt Xenos auf die Knie.

Lamilia zögert. Bisher ist es niemandem gelungen, die Folgen eines Vampirbisses einfach zu ignorieren. Ohne ein Reinigungsritual ist es unmöglich die Folgen abzuwenden. Doch sie weiß auch, dass Xenos ein besonderes Kind ist. Vielleicht ist ihm dies tatsächlich geglückt. Dennoch wünscht sie sich, den Jungen unter ihrer Kontrolle zu haben. Und dieser Wunsch lässt sie daran glauben.

„Hör auf“, spricht sie sicher, „und benimm dich normal. Wenn uns jemand sieht!“

Mit diesen Worten erhebt sich Xenos und verschwindet ohne weitere Worte im Bad.

Beim gemeinschaftlichen Frühstück von Xenos, Nekomaru, Noah und Kurojoshi tauschen sich die Kinder noch einmal über alles aus, was sie am gestrigen Tag erlebt haben. Ein Thema ist die Festnahme des wilden Wolfsjungen, der momentan in einer Zelle der Stadt sitzt. Kurojoshi hat vor, ihm zu helfen und ihn in die Zivilisation zu integrieren. Aber auch über den Vorfall im Bambuswald wird erneut gesprochen. Außerdem erzählen Kurojoshi und Nekomaru vom Gespräch mit Shedu, der Dämonenfürstin der Katzen, und ihrer Untergebenen, der Schutzpatronin Inekorias, Niji. Letztendlich sprechen Xenos und Nekomaru aber erneut davon heute abzureisen. Noch immer brennt Xenos darauf dem Hinweis von Nidhörun nachzugehen, der ihm zeigt, wo er seine geliebte Schwester Ayame finden kann.

Nach dem Essen ist es schließlich auch soweit. Die Kinder stehen wieder einmal vor dem Reiseportal. Kurojoshi und Noah verabschieden sich von ihnen. Sie bedanken sich für die Hilfe der beiden. Zum Dank überreicht die Hohepriesterin den Jungen eine kleine, verzierte Bambusschachtel, gefüllt mit Inekoria-Reiskuchen. Schließlich treten Xenos und Nekomaru auf das Sigill. Sie nehmen sich an die Hand und Xenos beginnt an den Zielort zu denken. Doch plötzlich werden seine Gedanken gestört.

„Stopp“, ruft es über den Platz, „nehmt mich mit!“

Die beiden schauen auf. Lamilia rennt auf sie zu. Zu ihrem roten Umhang hängt nun eine kleine Ledertasche an ihrer Seite.

„Bitte nehmt mich mit. Ich möchte auch die Welt kennenlernen. Egal wohin es geht, ich bin dabei.“

„Hast du deine Eltern überhaupt gefragt?“, will Noah wissen.

Sie nickt.

Nekomaru äußert sich klar: „Nein. Du kannst allein reisen.“

„Dann ist das kein Problem“, fällt Xenos Nekomaru in den Rücken. „Wenn du wirklich mit möchtest, dann stell dich zu uns.“

Glücklich stellt sie sich an seine Seite und umschließt seinen Arm, der den Reisestein hält. Sie schaut hinüber zu dem blondhaarigen Jungen, der ihr einen finsteren Blick zuwirft.

„Eine gute Reise euch!“, wünschen Kurojoshi und Noah.


Geschrieben von: Mika
Idee von: Mika
Korrekturgelesen von: May
Veröffentlicht am: 01.02.2019
Zuletzt bearbeitet: 04.09.2019
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