Kapitel 12 – Nekomarus Auftrag

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Eine einzelne Fackel erhellt den Raum. Hallende, kleine Schritte auf steinernem Boden nähern sich aus tiefschwarzer Dunkelheit und ziehen am Licht vorbei, bevor sie wieder im Dunkel verschwinden. Es ist Nekomaru. „Mein Sohn“, spricht eine tiefe, unheimliche und doch vertraute Stimme. Plötzlich entfachen weitere Fackeln ihr Licht und bilden einen Kreis um Nekomaru. Der zuvor schwarze Raum wird nun vom warmen Schein der Flammen erhellt. Am Rand des Fackelkreises sitzt Heres auf seinem Thron: „Ignar war bei mir. Der Junge, Xenos, lebt noch. Er ist nicht im Anwesen der Rhyl umgekommen!“ Nekomaru, welcher sich vor seinem Vater niedergekniet hatte, schaut fragend zu ihm auf: „Er hat es überlebt?“ „Ja. Dieses nichtsnutzige Kind hat sich in die Kaiserstadt geschlichen. Er hat unsere Pläne im Schloss gefunden.“ Wehmütig senkt Nekomaru den Kopf: „Es tut mir leid, Vater. Das war nur möglich, weil ich einen Fehler begangen habe.“ Heres hebt seine Hand: „Schon gut mein Kind. Ich vergebe dir, doch achte das nächste Mal darauf, deinen Auftrag zu vollenden. Die Daten der Angriffe, von denen die Menschen nun wissen, habe ich geändert. Xenos‘ erschlichene Informationen sind nutzlos.“ „Also greifen wir morgen nicht den Kaiser in seinem Versteck an?“ „Doch. Um diesen Plan zu ändern bedarf es zu großer Umstände. Unsere Truppen sind bereit und wir dürfen dem Kaiser nicht erlauben zu fliehen, jetzt wo er weiß, dass wir sein Versteck kennen. Alle anderen Ziele sind verändert worden.“ „Es wird nachher also keinen Angriff auf Ankrat geben? Was werden wir heute dann tun“, will Nekomaru wissen. Über Heres‘ Gesicht zieht sich ein Grinsen: „Du wirst noch einmal nach Genor gehen. Das ist das Einzige, was wir heute tun werden.“ „Genor? Die Stadt gehört uns doch bereits. Wir haben sie gestern mit Inev und Soma erobert.“ „Richtig. Doch gibt es nicht weit von Genor eine Festung. Viele Einwohner sind dorthin geflohen und haben sich verschanzt. Ich möchte, dass sich das klärt, bevor es zum Problem werden könnte.“ „Natürlich Papa“, lächelt Nekomaru angsteinflößend: „Ich werde deinen Wunsch erfüllen.“

Schon bald steht der blonde Junge vor Genor. Die Stadt liegt in Trümmern, die Straßen sind leer. Es riecht verbrannt und faulig. Neben ihm befindet sich Ignar, der kaum so groß ist, wie das Kind: „Also Nekomaru, was hast du dir überlegt?“ Nekomaru kichert: „Wir werden sie einfach dazu bringen aufzugeben.“ „Wie meinst du das?“ „Papa hat doch noch einige Dämonen zur Unterstützung bereitgestellt.“ Hinter den beiden stehen einige groteske Wesen, die bereits unruhig auf der Stelle trampeln. Auch ein recht großer Dämon ist unter ihnen. Er ist ungefähr halb so groß wie die Dämonen, die die Mauern der Kaiserstadt mit gigantischen Felsbrocken beworfen haben. „Also werden wir die Festung einfach angreifen?“ Nekomaru lacht: „Nein, wie langweilig. Außerdem wäre es nicht sicher, dass wir so gewinnen. Wir haben immerhin keine Armee. Wer weiß, was sich hinter den Mauern so alles versteckt. Das ist wie ein großes Überraschungspaket.“ Mit diesen Worten lässt der Junge seine Sense in seinen Händen erscheinen und marschiert vorwärts in die leere, zerstörte Stadt: „So Leute, jeder von euch schnappt sich ein paar Menschen. Lebend. Dann statten wir der kleinen Festung mal einen Besuch ab.“ Die ihm folgenden Dämonen verteilen sich gröhlend und schnaubend in den Straßen. Ignar schüttelt den Kopf: „Was willst du denn mit dem Gesindel? Die hier lebenden Menschen haben uns längst als rechtmäßige Herrscher akzeptiert und sind somit erfolgreich unterdrückt.“ „Das wirst du schon sehen“, kichert Nekomaru. Durch die so leer scheinende Stadt schallen nun aus allen Richtungen zahlreiche Schreie. „Weißt du Ignar, gestern vor der Schlacht war es hier, bis auf das ganze herumlungernde Menschenvolk, echt schön. Hätten sie sich einfach ergeben, hätte sich das alles ganz leicht vermeiden lassen. Wir hätten nur die Männer hingerichtet und ihre Stadt wäre noch immer heile. So haben sie die Männer, einige andere Opfer und ihre Stadt verloren.“ Der Junge zuckt mit den Schultern und macht sich auf durch die Straßen in Richtung der Festung.

Nach und nach schließen die Dämonen, welche sich in der Stadt verteilt hatten, wieder zu Heres‘ Sohn auf. Mit sich schleifen sie zahlreiche Bewohner Genors. Ein Stück auswärts sieht man auch bereits die Festung auf der Ebene stehen. Beide Seiten haben die Anwesenheit des jeweiligen Feindes bereits bemerkt. Auf den Mauern stehen zahlreiche Soldaten. Nekomaru und Ignar voran, nähert sich die kleine Dämonengruppe der Festungsmauer. „Halt“, ruft einer der Soldaten. Unbeirrt schreitet Nekomaru mit seinen Dämonen vorwärts. Die Soldaten zücken ihre Bögen und setzen zum Schießen an. „Haltet die Menschen vor euch und bleibt stehen“, befielt Nekomaru und streckt seine Arme zu den Seiten. Die Soldaten auf den Mauern sind sichtlich irritiert. Sie entspannen die Sehnen ihrer Bögen. „Verschwindet! Wir haben mehr Kampfkraft in unseren Mauern als ihr Dämonen.“ Nekomaru kichert amüsiert und ruft: „Trotzdem werdet ihr euch ergeben.“ „Wer bist du, Kind“, will einer der Soldaten wissen. „Ich bin Nekomaru und werde euren Widerstand beenden. Ergebt euch und viele Leben könnten verschont bleiben.“ „Niemals“, wird von der Mauer gebrüllt: „Ihr werdet uns Männer hinrichten und Frauen und Kinder versklaven. Wir haben doch gesehen, was in Genor, Soma und Inev geschehen ist.“ Ein böses Grinsen zieht sich über Nekomarus Gesicht: „Wie ihr wollt. Dann sterben eben alle. Bringt mir einen der Menschen!“ Einer der Dämonen stellt eine junge Frau vor Nekomaru, mit dem Rücken zu ihm. Die Tränen unterdrückend, schaut sie mutig zu den Soldaten auf der Mauer. „Runter auf die Knie“, schreit Nekomaru sie böse an und tritt ihr in die Kniekehlen. Unsanft fällt sie auf den dreckigen Boden. „Mama“, schreit ein weinendes Kind. In diesem Moment holt Nekomaru mit seiner Sense nach oben aus. Ihm ist die Freude über seine folgende Tat deutlich anzusehen. Mit einem kraftvollen Schwung schneidet die Sense von oben in die Frau und trennt sie von Kopf bis zum Becken entzwei. Sie ist sofort tot.

Geschockt und angewidert halten sich die Menschen auf der Mauer die Hand vor den Mund, wenden ihren Blick ab und halten mit allen Mühen ihren Brechreiz zurück. Nekomaru hingegen lacht schrill auf und amüsiert sich. „Was bist du für ein krankes Kind!“, brüllt einer der Männer von der Mauer: „Du stehst diesen abscheulichen Dämonen in nichts nach! Schießt auf den Jungen!“ Sofort ziehen alle wieder ihre Bögen und feuern einen wahren Pfeilhagel auf Nekomaru ab. Mit einem Lachen auf den Lippen weicht er leichtfüßig mit einem Rückwärtssalto aus und wehrt die restlichen Pfeile durch das Rotieren seiner Sense ab. Ignar hingegen, welcher neben Nekomaru und so noch in der Schussbahn stand, rennt nur tölpelhaft zur Seite, um den Pfeilen auszuweichen. Dann wendet sich der dicke Dämon an die Festungsbesatzung: „Ergebt ihr euch jetzt oder wollt ihr weiter zusehen, wie mein bester Freund hier einen nach dem anderen abschlachtet?“ In diesem Moment öffnet sich das Tor. Knapp 40 Mann stürmen auf die zahlenmäßig unterlegenen Dämonen zu. Ignar schreit auf: „Oha, N-Nekomaru mach doch was! Dämonen zum Angriff! Aber lasst die Gefangenen nicht entwischen.“ Schnell rennt Ignar hinter die Reihe der Dämonen. „Das ist doch gar kein Problem“, freut sich Nekomaru und stürmt ungezügelt auf die Gruppe Soldaten zu: „Jetzt wird es endlich spannend.“ Auch einige Dämonen rennen in die Soldatenmenge und lassen sich von ihrer scheinbaren Unterlegenheit nicht einschüchtern. Voller aufgestauter Energie richten sie ein wahres Blutbad an. Im Getümmel hört man neben den Schreien der sterbenden Männer auch das kindlich fanatische Lachen Nekomarus. Schon nach kurzer Zeit sind die Soldaten niedergemacht. Nicht einen Dämonen haben sie besiegt. Allein Nekomaru hat ihre Unterlegenheit mehr als ausgeglichen.

Freudig hüpfend kehrt er zu Ignar zurück, welcher sich hinten bei den Gefangenen und dem riesigen Dämon aufgehalten und seine Verbündeten aus sicherer Entfernung angefeuert hatte. „Ich weiß nicht, warum ich dich immer wieder mitnehme“, spricht Nekomaru neckisch zu Ignar. „Weil wir einfach zusammengehören“, lacht Ignar. Nekomaru freut sich: „Stimmt genau. Freunde für immer!“ Dann wendet sich der verrückte Junge wieder zu den Soldaten auf der Mauer: „Das hat Spaß gemacht. Wollt ihr vielleicht auch noch? Oder ergebt ihr euch schon?“ Ohne Worte werden wieder Pfeile abgeschossen, die auf die sich neu formierenden Dämonen niedergehen. „Na gut“, ruft Nekomaru immer noch sichtlich amüsiert: „Wie wäre es dann, wenn wir jetzt mal zurückschießen?“ „Ist das für dich ein Spiel, oder was“, schreit ihn ein Soldat wütend an: „Du bist wirklich ein abnormales, einfach nur gestörtes Kind!“ Nekomaru lächelt und zeigt mit dem Finger auf die Festung: „Mir bereitet es tatsächlich sehr viel Freude. Und jetzt: Feuer!“ „Womit willst du denn schießen“, will Ignar wissen. Nekomaru dreht sich zu seinem Freund um und antwortet völlig selbstverständlich: „Natürlich mit den Menschen.“ In diesem Moment greift sich der gigantische Dämon auch schon einen der Gefangenen und schleudert ihn mit gewaltiger Kraft gegen die Festungsmauer.

Die Soldaten schauen mit offenem Mund hinab. An der Mauer klebt lediglich noch ein roter Fleck. Die zu Boden gefallenen Überreste sind nicht mehr als Mensch zu identifizieren. Nekomaru schließt sein rechtes Auge und streckt den Daumen nach vorn, als würde er die Flugbahn berechnen: „Nächstes Mal ein Stückchen höher.“ Und schon fliegt der zweite Mensch. Er landet direkt im Hof der Festung. „Stop“, rufen die Soldaten verzweifelt von der Mauer: „Bitte, hört auf. Was wollt ihr, damit ihr aufhört.“ „Das wisst ihr doch ganz genau“, teilt ihnen Ignar schadenfroh mit. Erneut fliegt einer der Gefangenen in die Festung. „Platsch“, schreit Nekomaru belustigt und reißt seine Hände in den Himmel: „Schneller. Beschieß sie schneller!“ Umgehend beschleunigt der riesige Dämon das Werfen der gefangenen Menschen. Mensch für Mensch fliegt durch die Luft und schlägt in die Festung ein. Die Gefangenen versuchen mit aller Kraft zu entkommen, doch werden sie von den Dämonen mit Leichtigkeit festgehalten. Verzweifelt, weinend schauen sie zu, wie immer mehr von ihnen als Geschosse in den Tod geschickt werden. Die Soldaten auf den Mauern ertragen das Schicksal ihrer Landsleute nicht und suchen Deckung. Schließlich geht den Dämonen die Munition aus und die Soldaten kommen wieder hervor. Nekomaru bemerkt, dass der Blick der Dämonen auf ihn gefallen ist: „Was ist los? Holt Nachschub! Solange sie sich nicht ergeben wollen, beschießen wir sie weiter mit den Bewohnern der Stadt und wenn wir die ganze Stadt über die Mauer werfen müssen.“ „Stop. Bitte. Wir ergeben uns. Aber bitte lasst die Frauen und Kinder in Ruhe.“ Die Männer auf den Mauern sind erschöpft und am Ende. Sie verzweifeln, sind gebrochen und weinen. Nekomaru wendet sich lachend zu Ignar: „Da siehst du es. So einfach ist es, die Moral von solch niederen Kreaturen zu brechen. Wir haben nicht einmal richtig gekämpft. Nur weil wir sie mit ein paar anderen Menschen beworfen haben, machen sie gleich schlapp.“ „Legt eure Waffen ab und öffnet das Tor“, verlangt Ignar.

Einen Augenblick später kommt die Festungsbesatzung seinem Befehl nach und öffnet das Tor. Sie haben voll und ganz ihren Kampfgeist verloren. Sie sind gebrochen. Stolz marschieren Nekomaru und Ignar mit den Dämonen in die Festung. Überall liegen die Leichen der nicht wieder zu erkennenden, geworfenen Geiseln. „So“, brüstet sich Nekomaru: „alle Männer stellen sich in einer Reihe auf.“ Ohne Widerstand kommt jeder den Befehlen des kleinen Jungen nach, der ihre große, starke Festung soeben erobert hat. Die geschlagene Besatzung hat sich mit ihrem Schicksal abgefunden. Mit ihrem Tod retten sie immerhin ihre geliebten Familien. „Jetzt gehen alle auf die Knie“, befielt der blonde Junge mit einem scheinheiligen Lächeln und stellt sich an den Anfang der Reihe. Ohne einen Moment des Zögerns enthauptet er jeden der vor ihm knienden Männer, bis er am Ende der Reihe, getränkt vom umherspritzenden Blut, ankommt. „Ein Kampf wäre sicher lustiger geworden“, stellt Nekomaru ernüchternd fest und dreht sich zu den Dämonen, die die schreienden und schluchzenden Hinterbliebenen zurückgehalten haben: „Und jetzt erledigt den Rest.“ „Ihr habt den Männern versprochen nur sie zu nehmen“, fleht ihn eine der Frauen an, während die Dämonen bereits seinem Befehl nachkommen. Mit einem freundlich-falschen, aufgesetzten Lächeln spricht er zu ihr: „Ihr habt euch alle widersetzt und dafür kann ich doch nicht nur einen Teil von euch bestrafen.“ „Du bist krank! Krank bist du!“ Schließlich stürzt sich auch Nekomaru auf die unbewaffneten Zivilisten. Lachend schlachtet er einen nach dem anderen nieder. Klar und deutlich zeichnet sich der Wahnsinn des Jungen in seinen Augen ab.

„Du hast den Widerstand also gebrochen, mein Junge. Ich bin stolz auf dich“, spricht Heres zu Nekomaru, nachdem dieser seinem Vater Bericht erstattet hat: „Dann ruh dich jetzt aus. Morgen ist ein wichtiger Tag und ich will, dass du, wie heute, dein Bestes gibst. Denn du wirst den Kaiser töten.“


Geschrieben von: Mika
Idee von: Mika
Korrekturgelesen von: May
Veröffentlicht am: 01.06.2017
Zuletzt bearbeitet: ———-
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