Kapitel 18 – Dämonen im Blutquelltal

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Guren könnte jederzeit beschließen, mit Ayame zur Nekropole zu reisen. Dies würde sie direkt in die Arme von Dämonenfürstin Sangra führen. Wenn Guren kommt, wird sie sich über die Reisesigille ins Blutquelltal teleportieren. Es besteht nur eine Möglichkeit sicherzugehen, dass sie nicht in diese Falle gerät. Die Sigille der umliegenden Städte müssten deaktivert werden. In jeder ans Reisenetzwerk angeschlossenen Siedlung lebt ein Zirkelmagier, der für das Sigill zuständig ist. Sie sorgen täglich mittels eines Rituals dafür, dass es funktionstüchtig bleibt. Genau so können sie es jedoch auch deaktivieren, wenn sie es für nötig halten. Unruhen oder kriegerische Auseinandersetzungen, die Reisende gefährden könnten, sind dabei ein mehr als triftiger Grund. Unverzüglich lässt Xenos Briefe an die Magier schreiben. Er warnt sie vor der Gefahr und weist sie an, die Reisesigille unverzüglich zu deaktivieren. Als Fürst des Tals ist diese Anweisung sein gutes Recht. Boten überbringen die Nachrichten so schnell wie möglich.

Als nächstes lässt der Junge seine Stadt wieder in Alarmbereitschaft versetzen. Noch immer laufen die Rettungs- und Aufräumarbeiten für das vergangene Erdbeben. Aber gleichzeitig müssen sie sich für einen nahenden Angriff der Dämonen bereithalten. Glücklicherweise sind sie durch die Inquisition noch auf Angriffe vorbereitet. Die Strukturen und Befehlsketten bestehen noch und können für die jetzige Situation wiederverwendet werden. Sorgen macht Xenos jedoch die schier unerschöpfliche Masse an Angreifern, denen sie gegenüberstehen werden. Gegen die Inquisition hatten sie den Vorteil durch die Masse. Nun jedoch erscheinen ihm seine über achttausend untoten Kämpfer gar nichtig. Bei der Verteidigung von Ramoras, der Hauptstadt der Dunkelelfen, standen ihm über dreißigtausend Diener zur Verfügung und trotzdem konnten sie die Angreifer nicht dauerhaft zurückdrängen. Der Nekromant sieht nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie schließen das Portal ins Reich der Toten von innen oder sie versetzen den Gegnern einen kräftigen Schlag, der ihre Kommandostruktur auslöscht. Beides sind nahezu unmögliche Ziele.

Xenos, Nekomaru, Azarni und Zara sitzen um die große Tafel des Falkenbach-Anwesens, um ihr Vorgehen abzustimmen. Elias hat sich bereits verabschiedet, um die Boten zu den Zirkelmagiern zu schicken. Statt ihm betritt der Hochelf Tenzo den Raum. Der blondhaarige, hoch gewachsene Erfinder ist gekommen, um neue Ideen an den Tisch zu bringen.

„Ich habe eben mit Elias gesprochen“, teilt er den anderen seinen Kenntnisstand mit. „Das schwere Erdbeben kam mir schon eigenartig vor. Auch wenn ich nicht geahnt hätte, dass es von einer Pforte ins Reich der Toten ausgelöst wurde. Ich wusste nicht einmal, dass ihre Öffnung so etwas auslösen kann. Mittlerweile habe ich schon einige Toröffnungen erlebt und von noch mehreren gehört.“

Xenos und Nekomaru, die beide ebenso vertraut mit den Portalen sind, nicken zustimmend. Wahrlich hat noch nie jemand von ihnen erlebt, dass ihre Öffnung schwere Erdbeben auslöst.

„Nichtsdestotrotz müssen wir etwas dagegen tun“, meint er und tritt an den Tisch, auf welchem bereits eine Karte des Tals ausgebreitet ist. „Wenn ich richtig informiert bin, steht die unheilige Pforte zwischen der Nekropole und den Ruinen von Schloss Trinistadt, auf der nördlichen Seite des Flusses Mora und den in ihn mündenden Falkenbach. Es ist gewagt, aber ich denke, wir brauchen jede Hilfe, die wir bekommen können. Was wäre, wenn wir die verbliebenen Kleriker der Inquisition bitten, das Wasser des Falkenbaches erneut zu segnen? Heiliges Wasser ist ebenso vernichtend für die Dämonen. Wenn wir alle Brücken über den Falkenbach und die Mora zerstören, kommt ein Großteil ihrer Armee nicht mehr ins südliche Tal. Damit wäre der Großteil des Landes sicher.“

Xenos missfällt der Gedanke, mit den versprengten Resten der Inquisition zusammenzuarbeiten. Doch der einfallsreiche Elf hat recht. Sie müssen zusammenarbeiten, um gegen die Dämonen zu bestehen. Sein Vorschlag ist sogar sehr gut. Alle Talbewohner auf der gegenüberliegenden Flussseite wären damit zumindest halbwegs in Sicherheit. Schwierig wird es jedoch bei den Brücken in Moraquell. Die Stadt liegt direkt auf der Mündung des Falkenbachs in die Mora. Ein Teil der Stadt liegt im gefährdeten Teil nördlich der Flüsse. Er müsste evakuiert werden. Die Einwohner müssen sich in den südlichen Teil der Stadt und den Hauptteil der Stadt zwischen den beiden Flüssen zurückziehen. Der Nekromant schüttelt den Kopf.

„Eine gute Idee, aber nur in der Theorie. Wie wollen wir die Brücken so schnell zerstören?“, zweifelt Xenos. „Viele von ihnen sind aus massivem Stein. Außerdem dürfen unsere Untoten nicht ins Blutquelltal. Das ist es, was ich mit dem Präfekten heute vereinbart habe. Ohne sie haben wir nicht die nötige Mannstärke, den gesamten Fluss abzudecken.“

Zara schaut Xenos zuversichtlich an: „Mit genügend Wumms bekommen wir die Brücken sicher zerstört. Ich habe da sogar etwas auf Lager.“

„Dass die Untoten nicht ins Tal dürfen, ist doch ein haltloses Argument“, fügt Tenzo an. „Das ist eine Ausnahmesituation! Jede Hilfe wird gebraucht.“

„Nein“, bleibt Xenos stur. „Die Bevölkerung des Tals möchte nichts mit uns zu tun haben. Sie verachten die Untoten. Also können sie jetzt auch nicht auf ihre Hilfe zählen.“

Azarni bezieht schwermütig Position gegen ihren Sohn: „Du bist für diese Menschen verantwortlich. Du sagtest vorhin, du würdest dich dieser Verantwortung stellen. Dazu gehört auch, für ihren Schutz zu sorgen. Wenn du sie jetzt allein lässt, werden sie dich dafür genauso verurteilen wie in dem Fall, dass du ihnen mit deinen Dienern hilfst. Vermutlich sogar mehr. Vorausgesetzt es überlebt überhaupt jemand deiner Untertanen.“

Unzufrieden über die Widerworte, aber doch einsichtig, stimmt der junge Nekromant zu. Er lässt bei den Resten der Inquisition um ein Zweckbündnis bitten und ebenso die Blockade der Brücken veranlassen. Xenos selbst reist mit Nekomaru und Zara nach Moraquell, solange die Straßen noch passierbar sind.

Als die beiden Jungen in der Hauptstadt des Tals eintreffen, ist bereits Chaos in den Straßen ausgebrochen. An den Zuwegen werden Barrikaden aufgeschüttet. Moraquell besitzt keine Stadtmauer, was den Schutz der Stadt zusätzlich erschwert. Die daher notdürftigen Straßenblockaden bestehen hauptsächlich aus Schutt, der während des Erdbebens entstanden ist. Dieses hat auch Moraquell stark zugesetzt. Kaum ein Haus weist keine Beschädigungen auf. Die wenigsten von ihnen haben noch heile Fensterscheiben. Obwohl jeder hier Xenos als den Nekromanten von Falkenbach erkennt, scheren sich die Leute im Augenblick wenig um ihn. Nicht einmal die Stadtwachen konfrontieren ihn. Stattdessen achtet jeder nur darauf, Abstand zu ihm zu halten, ihn nach Möglichkeit nicht einmal anzuschauen, um nicht auch noch seinen Zorn auf sich zu ziehen. Es ist schwer zu deuten, was den Leuten bei Xenos‘ Anblick aktuell durch den Kopf geht. Sicher sind sie verwirrt und ängstlich. Wissen sie, dass er hier ist, um zu helfen? Vermutlich nicht. Wahrscheinlich würden sie es auch nicht glauben. Sie deuten sein Auftauchen wohl eher als Vorbote von jenem, was sie erwartet. Womöglich nehmen sie an, dass Xenos hinter den herannahenden Dämonen steckt, dass der Nekromant mit ihnen verbündet ist.

Sie kommen vor dem stattlichen Haus des Präfekten nahe des Stadtkerns an. Xenos klopft an der Tür und nur einen Augenblick später wird sie aufgerissen. Präfekt Marcus von Instrad schaut zu ihm herunter. Sein Gesichtsausdruck ist schwer zu deuten. Vermutlich weiß er selbst nicht recht, wie er auf die Anwesenheit des Jungen reagieren soll. Er sucht nach Worten, entscheidet sich dann jedoch, erst einmal ihn und sein Gefolge hinein zu bitten. Sie sammeln sich in seiner Amtsstube. Während Marcus hinter seinem massiven Schwarzeichentisch Platz nimmt, setzt sich Xenos ihm gegenüber. Zara und Nekomaru bleiben hinter dem jungen Nekromanten stehen.

Marcus beginnt seine Schläfen zu massieren: „Ich möchte eigentlich nicht unhöflich sein, aber ich muss meinen Gedanken Luft machen. Seit Ihr hier seid, haben wir nichts als Ärger. Erst stehlt Ihr unter dem Einfluss eines Vampirs unsere Toten, dann bringt die Inquisition Chaos ins Tal und nun greifen die Dämonenhorden an. Was soll ich davon halten?“

Xenos gefallen seine Worte nicht. Er würde gern dagegen argumentieren. Der Junge muss sich jedoch eingestehen, dass er die Vorwürfe des Präfekten nicht abstreiten kann. All diese Ereignisse stehen mit ihm in direktem Zusammenhang. Nichtsdestotrotz bemüht er sich nun, dem Tal bestmöglich zu helfen. Er unterbreitet Marcus ihren Plan, das nördliche Moraquell zu evakuieren und die Brücken entlang der Mora und des Falkenbaches zu sprengen. So können die nicht fliegenden Dämonen aus der Stadt und aus dem restlichen Tal ferngehalten werden. Außerdem erzählt er, dass er mit den Resten der Inquisition gemeinsam gegen die Dämonenhorden kämpfen möchte.

Marcus schweigt, hört sich die Überlegungen seines neuen Fürsten bis zum Ende an. Am Ende muss er sich eingestehen, dass die Pläne des Jungen wohl ihre beste Alternative sind. Er ist dankbar, dass sich Xenos entschlossen hat, ihnen zu helfen. Allein wäre das Blutquelltal kaum in der Lage sich zu verteidigen. Die Städte und Gemeinden im Tal haben ihre eigenen Stadtwachen und Milizen. Südlich von Moraquell liegt zudem Erzwacht, eine Hangfestung, in der die überschaubare Anzahl an gemeinsamen Soldaten des Blutquelltals stationiert ist. Mehr Kampfkraft kann das Tal nicht bieten.

Der Präfekt erhebt sich: „Ich beauftrage, dass die Brücken über Mora und Falkenbach zerstört werden. Die Inquisitionssoldaten haben sich jedoch nach ihrer Niederlage zerstreut. In der Kirche von Moraquell und den Ruinen von Schloss Trinistad im Norden sollte der Großteil von ihnen anzutreffen sein.“

„Zara wird euch bei der Zerstörung der Brücken helfen“, deutet Xenos auf seine hinter ihm stehende Köchin mit den alchemistischen Fähigkeiten. „Nekomaru und ich werden uns zur Schlossruine aufmachen, sofern wir noch an den Dämonen vorbeikommen.“

Xenos und Nekomaru folgen dem Weg in Richtung Schloss Trinistad. Doch noch bevor sie an der Gabelung angelangen, die zum Schloss oder zur Nekropole führt, müssen die Kinder Deckung suchen. Ihnen entgegen zieht eine Horde feindlicher Untoter, angeführt von behörnten Dämonen. Sie bilden scheinbar die erste Angriffswelle, die sich auf den Weg nach Moraquell begibt. Kauernd haben die beiden im Graben neben der Straße Schutz gesucht und überlegen, was sie nun tun sollen. Sich hier auf einen Kampf einzulassen erscheint nicht sinnvoll. Sie sind der schieren Masse unterlegen. Die Diener des jungen Nekromanten verteidigen Falkenbach. Sie jetzt von dort abzuziehen lässt Falkenbach, das womögliche Hauptziel des Angriffs, geschwächt zurück.

Sie schauen den bewaldeten Berghang hinauf, dorthin, wo ihr Ziel, die Schlossruine Trinistad, nun so unerreichbar scheint. Plötzlich schießen wie aus dem Nichts gleißende Lichtstrahlen vom Himmel nieder. Sie schlagen in die dicht gedrängte Horde von Dämonen ein und richten massive Zerstörung an. Xenos erkennt den Zauber. Es ist dieselbe Magie, die Inquisitor Clavius Meres gegen ihn eingesetzt hatte. Ein wirklich mächtiger Zauber. Ist er noch am Leben oder gibt es unter den Magiern der Inquisition noch einen so starken Zauberer?

Aus dem Wald hinauf zum Schloss stürmen die in weiße Roben und Rüstungen gekleideten Inquisitionssoldaten. Mutig werfen sie sich den Dämonen entgegen. Mit ihrem Aufeinandertreffen brechen erneut zahlreiche gleißenden Strahlen aus dem Himmel nieder. Xenos und Nekomaru beobachten die Situation einen Moment. Tatsächlich sieht es so aus, als könnten sich die Inquisitionssoldaten einen Weg durch die Dämonen bahnen.

Xenos erhebt sich: „Wir helfen ihnen! Das könnte unsere Chance sein, unsere Kräfte zu vereinigen.“

Über Nekomarus Gesicht zieht sich ein breites Grinsen. Es rührt weniger daher, dass sie der Inquisition helfen, als dass er endlich wieder einen spannenden Kampf erwartet. Schwarze Schatten manifestieren sich in seinen Händen, bilden den Schaft seiner Sense, als sich diese auch bereits manifestiert. Der Blondhaarige stürmt voran. Auch Xenos zieht sein schwarzes Schwert und folgt seinem Freund in den Kampf.

„Wir versuchen uns einen Weg der Inquisition entgegen zu bahnen!“, gibt der Nekromant Anweisungen und spricht seinen ersten Zauber: „Milia flatulentarum pulverem grana.“

Noch bevor Nekomaru die Front der Dämonen erreicht, wird diese durch zahlreiche Explosionen in Stücke zerfetzt. Das hält den kampflustigen Jungen jedoch nicht davon ab, sich in die nächsten Reihen zu stürzen. Mit seiner Sense schlitzt er sich ohne zu zögern durch die Menge seiner einstigen Verbündeten. Das Blut der furchteinflößenden Dämonen spritzt, ihre Schreie sind schrill und das schmerzverzehrte Gegröhle ohrenbetäubend.

Indes kanalisiert Xenos in seinen Händen Energie und entlässt sie in die Horde. Ein starker Blitz, gefolgt von Donner, schießt ihr entgegen, trifft einen dicken Blutunhold, welcher förmlich platzt wie ein Wasserballon. Von ihm aus springen weitere Blitze über zu den anderen Dämonen. Ein Kettenblitz bricht durch die Menge. Sofort stürmt einer der gehörnten Dämonenoffiziere mit seinem Gefolge voran, um Xenos davon abzuhalten, weitere Zauber zu wirken. Der Junge weicht zurück und lässt zeitgleich Dornenranken vor sich aus dem Boden hervorbrechen. Sie umschlingen einige der Angreifer und machen sie bewegungsunfähig. Der Rest der Dämonen erreicht ihn jedoch. Als erstes erreicht ihn der gehörnte Dämon, welcher sein flammendes Breitschwert erhebt und auf ihn niedergehen lässt. Xenos reckt sein Dämonenschwert empor, um den Angriff zu blocken. Mit beiden Händen pariert er den Hieb, wird jedoch in die Knie gezwungen. Schnell rollt er zwischen den Beinen des Dämons hindurch, um einem weiteren Angriff zu entgehen. Blitzschnell dreht er sich dem Monster zu und rammt ihm sein Schwert in den Rücken. Der Dämon schreit auf und wendet sich wieder dem Jungen zu. Mit seiner linken Hand greift er nach dem Kind. Xenos weicht aus, stößt dabei jedoch mit einem anderen Dämon zusammen. Aus dessen schwarzen Augen ergießt sich leuchtend rotes Blut. Schnell gewinnt Xenos Abstand, schafft es, dabei einen weiteren Dämon zu enthaupten. Dann jedoch wird er wieder in die Verteidigung gedrängt. Er hat Mühe, alle Feinde auf Abstand zu halten, kann Nekomaru nicht länger den Rücken freihalten.

Auch dem Dämonenjungen mit seiner Sense stellen sich die Dämonen entgegen. Aus der Menge fliegt ein gezackter Speer auf den Blondhaarigen zu. Im letzten Moment kann er der Waffe mit einem Rückwärtssalto ausweichen. Er landet wieder auf seinen Füßen, setzt zu einer Drehung an und schlitzt erneut durch die ihn umzingelnden Dämonen. Batzen aus ätzendem, geronnenem Blut der Blutunholde fliegen auf ihn zu. Geschickt weicht er den aus verschiedenen Richtungen kommenden Projektilen aus. Nekomaru muss sich jedoch bremsen, als direkt vor ihm ein gleißender Lichtstrahl niedergeht. Ein Blutbatzen trifft ihn an der linken Schulter. Er ätzt sich umgehend durch die dünne Kleidung des Jungen und brennt sich durch die Haut in das Fleisch hinein. Ein anhaltender Schmerz durchzieht seinen Körper. Er schreit auf, doch lässt er sich nicht aufhalten. Der Junge ist im Rausch des Kampfes. Sein Gesicht und seine Kleidung bereits blutbeschmiert, treibt er seine Sense weiter durch die Dämonen, bis zwischen den infernalen Körpern weiße Kleidung hindurchblitzt. Eine Lanze bricht durch den Körper eines Dämons, bleibt kurz vor Nekomaru stehen, bevor sie sich wieder zurückzieht. Das Wesen des Totenreiches geht zu Boden und Nekomaru steht den kämpfenden Männern der Inquisition gegenüber. Der Soldat mit der Lanze visiert ihn an, bevor er realisiert, dass sie in diesem Kampf auf der gleichen Seite kämpfen.

Ein junger Halbelf drückt sich zwischen den Inquisitoren hindurch. Augenscheinlich ist der hellblonde Junge mit den leicht angespitzten Ohren genauso alt wie Nekomaru. Durch seine Haare schimmert ein goldenes Diadem, in welchem ein großer hellblauer Saphir eingelassen ist. Es gibt seinem schmalen Gesicht einen perfekten Rahmen. Der Halbelf trägt eine gülden bestickte Inquisitionsrobe. Seine großen grau-blauen Augen schauen wortlos und entschlossen, als er an Nekomaru vorbeigeht.

„Läuterndes Feuer“, spricht der Halbelfenjüngling.

Eine Walze aus heiligem Feuer bildet sich und brennt eine Schneise durch die Dämonenhorde. Der Weg, den sich Nekomaru bis hierher erkämpft hatte, ist wieder frei. Schnell macht sich die kleine Armee auf den Weg. Der unbekannte Junge lässt sich wieder zurückfallen, während die Soldaten die Schneise offenhalten. Auch Nekomaru prescht voran und gemeinsam können sie dem Getümmel entkommen. Völlig erschöpft, aber siegreich sieht Xenos die Kämpfer und Nekomaru auf sich zueilen.

„Greift den Nekromanten von Falkenbach nicht an!“, erklingt die Stimme des mysteriösen Jungen.

Seinen Befehlen folgend, laufen die Inquisitionssoldaten an Xenos vorbei. Sie formieren sich hinter ihm neu. Der Elfenjunge stellt sicher, dass alle Kämpfer an ihm vorbeikommen, bevor er sich zur heranstürmenden Horde umdreht und die Hände nach vorne streckt.

„Mauern Aethernums!“, ruft er laut und lässt seine Hände langsam zu den Seiten gleiten.

Mit seiner Bewegung zieht sich eine nahezu unsichtbare Barriere über das verödete Grasland. Leichter glitzernder Schimmer flackert empor. Sie dehnt sich immer weiter aus, wandert in die Ferne und scheint die Horde einzuschließen.

„Mauern Aethernums“, murmelt Xenos leise und bedächtig.

Irgendwo hat Xenos bereits von diesem Zauber gelesen. Der fremde Junge dreht sich zu den beiden Kindern. Er scheint unbesorgt über die Dämonenhorde hinter ihm. Diese prallt gegen die Barriere. Man erkennt, wie sich die Dämonen gegenseitig zerquetschen. Sie kommen jedoch nicht hindurch.

„Für den Moment sind wir sicher“, spricht der elegante Elfenjunge mit melodischer, beruhigender Stimme. „Ich weiß jedoch nicht wie lange. Wir sollten uns also sputen und von hier verschwinden.“

Trotz seiner Worte nimmt er sich die Zeit und tritt vor Xenos und Nekomaru. Die beiden schauen ihn an, mustern ihn genau. Seine edle Gewandung der Inquisition ließe darauf schließen, dass er in der Hierarchie weit oben steht. Dafür spricht auch, dass alle Soldaten auf ihn hören. Er wirkt jedoch recht schmächtig. Außerdem verspüren die beiden Unbehagen und Ablehnung. Irgendetwas gefällt ihnen ganz und gar nicht an ihrem Gegenüber.

„Ihr seid Xenos und Nekomaru, die Feinde und das Ziel der Inquisition“, begrüßt er sie mit seiner schönen Stimme doch so kalt und emotionslos.

„Mit wem haben wir das Vergnügen?“, entgegnet Xenos argwöhnisch.

„Mein Name ist Ruben Novadin, Schüler und Protegé unseres verstorbenen Inquisitors Clavius Meres.“

Während er sich vorstellt, klart seine Stimme unerwartet auf. Plötzlich klingt er gar freundlich gegenüber den anderen beiden. Als er Xenos und Nekomaru dann noch die Hand zur Begrüßung reicht, sind die beiden Kinder gänzlich verwirrt. Ein Lächeln bringt der Halbelf zwar nicht über die Lippen, doch nachdem die beiden nun wissen, wer vor ihnen steht, hätten sie nichts anderes als absolute Ablehung und Feindseligkeit erwartet. Perplex schüttelt Xenos seine Hand.

Als ob Ruben ahnt, was die Jungen denken, schafft er Klarheit: „Ich mag euch nicht und das wird sich auch nicht ändern. Ihr vertretet Ansichten und Verhaltensweisen, die indiskutabel falsch sind. Aber aktuell stehen wir einer größeren Bedrohung gegenüber. Und wie ich sah, scheint ihr ebenfalls gegen diese Bestien zu kämpfen. Damit haben wir immerhin einen gemeinsamen Nenner.“

Xenos nickt, kann jedoch nicht antworten, bevor Ruben wieder das Wort ergreift.

„Aus diesem Grund sehe ich unsere Feindschaft momentan als ausgesetzt an. Wir verfolgen in der aktuellen Situation scheinbar ähnliche Ziele. Ich folge daher dem Motto: der Feind meines Feindes ist mein Freund.“

„Das würden wir begrüßen“, antwortet Xenos. „Genau den gleichen Gedanken hatten wir auch. Aus diesem Grund sind wir hier.“

„Sehr gut“, meint der Halbelfenjunge. „Die Mauer Aethernums wird nicht ewig halten. Wir sollten von hier verschwinden.“

„Moraquell sollte unser Ziel sein“, erklärt der Nekromant.

Ruben akzeptiert den Vorschlag. Von hier aus können sie ihr weiteres Vorgehen planen. Schnell setzt sich die kleine Armee in Bewegung. Hoffentlich kann ihnen der mächtige Zauber genug Zeit verschaffen, um die Horde nicht direkt mit in die Hauptstadt des Tals zu ziehen.


Geschrieben von: Mika
Idee von: Mika
Korrekturgelesen von: May
Veröffentlicht am: 01.11.2022
Zuletzt bearbeitet: ———-
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