Kapitel 17 – Fürstentum Nebraa

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In bunten Facetten fällt das Licht durch die alten Buntglasfenster. Es legt sich auf die große, massive Schwarzeichentafel im Bankettsaal des Nebraa-Anwesens. Am Kopf der Tafel sitzt Xenos, neben ihm stehen Nekomaru und seine Mutter Azarni. Mit starrer Mimik schaut der Nekromant ans andere Ende des Tisches. Dort sitzt der Präfekt des Blutquelltals, Marcus von Instrad. Anspannung und Unbehagen zeichnen sich in seinem bleichen Gesicht ab. Er streicht sich mit der Hand über seinen stoppeligen Bart, bevor er sich durch seine kurzen, schwarzen Haare fährt. Sein Blick ist an das vor ihm liegende Pergament mit kaiserlichem Siegel gefesselt. Es ist die Urkunde des Kaisers, die Xenos zum Fürsten des Tals ernennt. Präfekt Marcus verliert mit diesem Schreiben all seine Befugnisse. Der in edle Gewänder gekleidete, bisher immer pflichtbewusst und ehrhaft wirkende Mann sucht nach Worten. Er kann sich dem Kaiser nicht widersetzen. Doch gleichzeitig fürchtet er die Auswirkungen dieses Beschlusses.

„Ich kam her, um die Kapitulation des Blutquelltals zu überbringen“, erhebt der Präfekt schließlich wieder seine Stimme. „Ich habe inständig um Gnade gebeten. Wir hatten keine andere Wahl, als uns der Inquisition unterzuordnen.“

„Und ich nahm die Kapitulation entgegen, gewährte Euch und der Bevölkerung des Blutquelltals Gnade“, entgegnet Xenos mit klaren Worten.

„Mit Verlaub, diese Urkunde ist ein Frevel! Wie könnt Ihr von Gnade sprechen, wenn Ihr Euch das ganze Tal untertan macht.“

„Das Eine hat mit dem Anderen nichts zu tun“, beschwichtigt Xenos. „Mir jenen Titel verleihen zu lassen, war nicht geplant. Und dennoch werde ich nicht auf ihn verzichten. Meine Familie ist die rechtmäßige Herrschaftsfamilie des Blutquelltals. Der Kaiser hat uns nur zurückgegeben, was uns zusteht.“

Marcus schüttelt den Kopf: „Das werden die Einwohner nicht akzeptieren.“

„Heißt das, Ihr widersetzt Euch?“

Sein Kopfschütteln wird stärker: „Nein, der Kaiser hat entschieden und ich werde mich dem beugen. Das Volk jedoch in eine dunkle Zeit voller Angst und Schrecken stürzen zu sehen, betrübt mich dennoch zutiefst.“

Über Nekomarus Gesicht blitzt ein Grinsen.

Xenos lehnt sich zurück: „Ihr kennt mich nicht. Wie solltet Ihr auch, in der kurzen Zeit, die wir bisher miteinander hatten. Doch werfe ich Euch vor, dass Ihr auch gar nicht vorhattet mich kennenzulernen. Andernfalls wüsstet Ihr, dass ich keinerlei Interesse daran habe, irgendjemanden zu tyrannisieren.“

„Ihr kamt hierher und stahlt unsere Toten! Die Leute haben Angst. Ihr benahmt euch bisher nicht anders als ein Gesetzloser.“

Der Junge seufzt: „Für die Störung der Totenruhe muss ich mich entschuldigen. Ich stand unter einem Bann, der mich nicht frei entscheiden ließ. Aber natürlich hinterließ das einen denkbar schlechten ersten Eindruck.“

„Wenn ich einen Vorschlag unterbreiten dürfte“, räuspert sich Azarni. „Unsere beiden Seiten hatten einen denkbar schlechten Start. Doch ich bin mir sicher, dass wir alle nur das Beste im Sinn haben. Wir sollten einen Schlussstrich unter die bisherigen Vorkommnisse ziehen und noch einmal von vorn anfangen.“

Die Mimik ihres Sohnes lockert sich. Azarnis Vorschlag gefällt ihm. Nachdenklich runzelt er die Stirn.

Marcus deutet zwischen sich und Xenos: „Selbst wenn wir einen Neuanfang wagen, wird das Volk wohl kaum bereit sein, das Vergangene zu vergessen und Euch freiwillig als ihren Fürsten zu akzeptieren.“

„Ihr habt recht“, stimmt Xenos zu. „Ich muss mir ihr Vertrauen erst verdienen. Und das gelingt mir sicher nicht, wenn ich die bisherigen Machtstrukturen komplett über den Haufen werfe. Das Leben, wie die Einwohner des Tals es kannten, muss wie gewohnt weitergehen.“

Fragende Gesichter schauen dem Jungen entgegen. Er hat einen Plan, aber noch scheint ihm niemand folgen zu können. Xenos muss ihn erklären.

„Als Präfekt verwaltetet Ihr bisher auf direkte Anweisung des Kaisers das Blutquelltal. Wie wäre es, wenn Ihr Eure Aufgabe fortsetzt? Nur ist es nicht mehr der Kaiser, der Euch mit dieser Aufgabe betraut, sondern ich. Ihr scheint Eurer Aufgabe pflichtbewusst nachzukommen. Das Volk scheint Euch zu vertrauen. Ich möchte Euch daher auch mein Vertrauen aussprechen.“

Präfekt Marcus scheint überwältigt von dieser Wendung: „Ich – Ich denke, das wäre eine Vereinbarung, auf der sich aufbauen lässt.“

„In Ordnung“, erhebt sich Xenos und kommt auf den Mann zu. „Ihr behaltet Euer Amt und sollt weiter für das Blutquelltal zuständig sein. Lediglich die Nekropole Falkenbach und ihr umliegender Wald werden von mir allein verwaltet. Zudem verlange ich regelmäßig Einblick in Eure Arbeit. Das gilt natürlich auch für meine liebe Fürstenregentin.“

Xenos‘ Mutter Azarni lächelt wohlwollend.

„Ihr werdet mich also überwachen?“, wird Marcus stutzig und erhebt sich. „Ich bin also nichts weiter als Eure Marionette. Dafür gebe ich meinen Ruf und meinen Namen nicht her.“

Xenos schaut mit einem Lächeln zu ihm hinauf: „Oh, ich werde mich nicht einmischen. Ich will lediglich im Bilde über meine Ländereien sein. In diesem Punkt müsst Ihr mir Euer Vertrauen entgegenbringen. Ihr dürft das Volk aber ruhig wissen lassen, dass ich ihr Fürst bin. Ich bitte sogar darum. Immerhin will ich beweisen, dass meine Herrschaft nicht in eine dunkle Zeit oder dergleichen führt.“

„Nun gut“, willigt Marcus schließlich ein. „Eine Bedingung habe ich jedoch. Eure Untoten betreten die von mir verwalteten Ländereien nicht. Genauso wenig werdet Ihr die Verstorbenen von dort zu Euch holen.“

„Einverstanden“, reicht ihm Xenos zufrieden die Hand.

Zögerlich schlägt der Präfekt ein. Ein kräftiger Händedruck besiegelt die Vereinbarung. Zu einem anderen Zeitpunkt werden sie ihre Vereinbarung schriftlich festhalten.

Nachdem Präfekt Marcus von Instrad Falkenbach verlassen hat, besichtigen Xenos, Nekomaru und Azarni den tiefer liegenden Teil der Stadt. Das Wasser hat sich bereits wieder zurückgezogen, doch die Schäden der Flut sind nicht zu übersehen. Alle Straßen sind verschlammt, viele Häuser unbewohnbar. Es riecht feucht und modrig. Glücklicherweise ist das Wasser nicht allzu hoch gestiegen. Es wird eine Weile dauern, alle Schäden zu beheben, doch die Einwohner sind bereits mit Motivation bei der Arbeit. Mittlerweile können sich auch die Untoten wieder hier aufhalten und mit anpacken. Die Flut war ein Rückschlag, Falkenbachs Aufschwung wird sie jedoch nicht abreißen lassen. Denn davon abgesehen entwickelt sich die Nekropole prächtig.

Auch das Blutquelltal will Xenos zurück in goldene Zeiten führen. Er wird seinen Bewohnern schon beweisen, dass sie ihm vertrauen können. Mit einem Fürsten hat das Tal viel mehr Potenzial als mit einem vom Kaiser ernannten Präfekten. Während dieser alle Entscheidungen, wie Modernisierungen, auf langem Dienstweg vom Kaiser genehmigen lassen musste, kann nun schneller entschieden werden. Außerdem bleiben mehr finanzielle Mittel vor Ort. Zuvor wurden alle Steuern und Gewinne direkt an den Kaiser abgeführt. Nun stehen dem Fürsten diese Gelder zu. Erst danach wird die Abgabe ans Kaiserreich fällig. Die unerwartete Titelvergabe hat Xenos zweifellos überrascht, doch er wird sein Bestes geben, der Aufgabe gerechtzuwerden. Nicht nur für sich selbst, sondern auch für seine Familie. Nach Generationen wird ihnen als altes Adelshaus endlich wieder die Ehre zuteil, ein Fürstentum zu halten. Und mit seiner Mutter sowie dem Präfekten an seiner Seite ist der Junge zuversichtlich, dass das Blutquelltal eine gute Führung bekommen hat.

Während Xenos, Azarni und Nekomaru durch die Stadt gehen, erscheint der kleine Geisterjunge Yuki bei ihnen. Er manifestiert seinen Körper, wird zu einem Untoten und lächelt Xenos und Nekomaru an.

„Jetzt, da endlich wieder etwas Ruhe eingekehrt ist, habt ihr sicher wieder mehr Zeit. Ich und die anderen haben uns in Elias‘ Versteck zum Spielen verabredet. Seid ihr dabei?“

Eine Auszeit kommt den beiden gerade recht. Nekomaru ist von Yukis Einladung angetan. Auch Xenos ist nicht abgeneigt. Ein letzter Blick zu Azarni zeigt ihr zustimmendes Lächeln. Kurzerhand laufen sie mit Yuki davon. Neben ihren Abenteuern und dem auferlegten Stress haben die beiden wenig Zeit, einfach mal frei von allem einen normalen Alltag zu genießen. Doch die Last, die sie tragen, kann ihnen kaum abgenommen werden. Azarni ist daher glücklich über jeden halbwegs unbeschwerten Moment. Insbesondere Xenos tun diese Auszeiten gut. Er gönnt sich selbst nur so selten Momente der Ruhe.

Yuki, gefolgt von Xenos und Nekomaru, läuft durch die geschäftige, kleine Stadt. Es ist nicht weit bis zum vereinbarten Treffpunkt. Im oberen Teil der Stadt biegen sie in eine enge Seitenstraße und verschwinden durch ein morsches Tor. Sie gelangen in einen von hohen Büschen und Sträuchern zugewucherten Innenhof. Das zugehörige Haus ist schon lange unbewohnt. Leerstand ist in Falkenbach nicht ungewöhnlich. In früheren Zeiten hatte die Nekropole viel mehr Einwohner. Unter ihnen auch Untote, die natürlich auch ein Dach über dem Kopf brauchten. Erst mit Xenos steigt die Einwohnerzahl wieder an. Die heruntergekommenen Häuser müssen jedoch erst Stück für Stück saniert werden, bevor wieder in ihnen gewirtschaftet werden kann.

Die drei folgen einem überwucherten Trampelpfad, bis vor ihnen schließlich die anderen auftauchen. Der dunkelblonde Gärtnerjunge Elias sitzt zusammen mit einigen anderen Kindern der Stadt auf der Erde im Kreis. Sie feuern sich gegenseitig an, während sie versuchen, glitzernde Murmeln in ein kleines gegrabenes Loch zu stoßen. Unter ihnen sind sowohl Lebende als auch Untote. Hier in Falkenbach wird zwischen ihnen kein Unterschied gemacht. Ganz im Gegenteil. Freunde, die sich verloren haben, sind überglücklich, nun wieder gemeinsam spielen zu können.

Elias winkt die drei heran: „Ich gebe euch ein paar Murmeln ab. Schaut, wie viele ich schon gewonnen habe!“

Nekomaru setzt sich neben ihn, seine Augen leuchten: „Woher hast du denn die goldenen?“

„Lysander hat sie mitgebracht“, lacht Elias und drückt ihm einige davon in die Hand.

„Die möchte ich nach dem Spiel aber wiederhaben“, meldet sich ein Junge, dessen Körper bereits größtenteils skelettiert ist. „Ich habe sie vorhin erst aus ihrem Versteck geholt. Damals habe ich sie unter der kleinen Eiche in unserem Garten vergraben. Mittlerweile ist sie ein großer Baum, aber meine Murmeln waren immer noch da!“

Nekomaru schaut fasziniert, als sich Xenos neben ihn setzt. Er will die erste der kleinen Murmeln anstoßen, als der sandige Boden plötzlich zu vibrieren beginnt. Die Erde beginnt zu wackeln, gar zu beben. Verwundert schauen sich die Kinder an. Es wird immer stärker, das Laub an Bäumen und Büschen um sie herum beginnt zu zittern, raschelt laut. Panik beginnt bei ihnen auszubrechen, als das Beben so stark wird, dass sie nicht mehr aufstehen können. Yuki demanifestiert seinen Körper und kehrt in seine Geisterform zurück. Um sie herum grollt und knackt es, aus der Stadt sind Schreie zu hören, Donner und das Klirren von Krügen und Gläsern. Plötzlich schlägt durch das Blätterdach ein Dachziegel zwischen ihnen in den Boden.

„Captando nectens!“, ruft Elias und lässt über die Gruppe eine dichte Rankenwand sprießen.

Gerade noch rechtzeitig, als ein lautes, dumpfes Rumoren über sie hereinbricht. Die Ranken geben leicht nach, die Luft füllt sich mit Staub. Weiterhin bebt die Erde unermüdlich. Xenos will sehen, was hier vor sich geht. Er bedeckt sein linkes Auge und spricht einen Zauber. Die Sicht auf dem bedeckten Auge trübt sich und ermöglicht ihm durch die Augen von einem seiner untoten Diener zu sehen. Dieser steht auf den äußeren Mauern, wird vom Beben selbst in die Knie gezwungen. Er sieht die Häuser der Stadt wanken, Fenster zerbersten und Mauerwerk bröckeln. Er sieht weitere Einwohner, alle an den Boden gefesselt, Panik in ihren Gesichtern. Der Blick schwenkt zur steilen Felswand, an der die Nekropole liegt. Geröll löst sich, schlägt durch die Dächer der in der Nähe befindlichen Häuser.

Schließlich beginnt das Beben langsam abzuklingen. Als sich die Situation beruhigt, öffnet Elias seine schützenden Ranken. Der auf ihnen liegende Schutt rutscht zu Boden. Ein verheerender Anblick bietet sich den Kindern. Das Blätterdach, unter dem sie eben noch saßen, ist verschwunden. Die Hauswand samt dem Dachstuhl des verlassenen Hauses stürzte über ihnen zusammen, begrub die Vegetation unter sich. Es bietet sich ihnen der Blick in die Räume Gebäudes wie bei einem riesigen Puppenhaus. Sie hatten wirklich Glück.

„Das Spielen hat sich wohl erstmal erledigt“, spricht Xenos perplex.

Elias ergänzt: „Lasst uns schauen, ob es den anderen gut geht, ob jemand Hilfe benötigt!“

Draußen in der Stadt herrscht Chaos. Einige Straßenzüge sind durch den Schutt eingestürzter Wände oder heruntergefallener Dächer kaum wiederzuerkennen. Vielen der historischen Fenster fehlen die Scheiben. Die zuvor noch tüchtigen Einwohner wirken verängstigt. Zweifellos hat niemand von ihnen hier bisher ein solch starkes Erdbeben erlebt. Xenos als ihr Fürst versucht sie zu beruhigen. Gleichzeitig schlägt er sich mit den anderen zurück zur Hauptstraße durch.

„Yuki“, wendet sich der Nekromant an den Geisterjungen. „Schau bitte, wo Mama ist. Ihr anderen macht euch auf den Weg nach Hause. Seht, ob ihr eure Familien findet. Vielleicht brauchen sie Hilfe. Nekomaru, Elias und ich machen uns auf zum Anwesen und organisieren die Aufräum- und Rettungsarbeiten.“

Alle nicken sich zu und verteilen sich in die verschiedenen Himmelsrichtungen. Auf dem Weg hinauf zum großen Nebraa-Anwesen über der Stadt übermittelt Xenos bereits erste Anweisungen an die in der Stadt verteilten Untoten.

„Ich will, dass eine Liste von Vermissten erstellt wird. Zentraler Anlaufpunkt wird der Marktplatz. Wer verfügbar ist, soll Hilfe leisten. Schaut auch bei den Arbeitern in der Eisenmine vorbei und zählt durch, ob es allen Patrouillen im Wald gutgeht. Die Anzahl der Patrouillen wird halbiert. Sie sollen lieber in der Stadt mithelfen.“ Xenos zögert einen Moment und wendet sich an Elias: „Ich möchte, dass Kundschafter nach Moraquell und in die anderen Siedlungen aufbrechen. Sie sollen berichten, ob dort ebenfalls Hilfe gebraucht wird. Schicke aber keinen Untoten oder Wiedererweckten.“

Elias nickt, als sie das Torhaus zum Plateau des Anwesens passieren. Auch an dem festungsgleichen Gebäude sind Schäden zu sehen. Ihnen fallen sofort Risse im Mauerwerk und zerstörte Fenster auf. Dennoch scheint es das zur Hälfte im Berg liegende Anwesen besser überstanden zu haben als angenommen. Xenos hatte befürchtet, dass sich ein Teil der Klippe gelöst haben könnte und auf das alte Anwesen niedergegangen wäre.

Über ihre Köpfe fliegt ein Rabe. Er trägt eine Botschaft am Fuß, verschwindet durch ein Loch in der Fassade ins Hausinnere. Die drei Jungen sind neugierig. Sicher hat er Informationen im Zusammenhang mit dem Beben. Auf der Türschwelle des Anwesens hören sie plötzlich die Rufe von Yuki und Azarni hinter sich. Sie kommen auf die Jungen zugelaufen. Es scheint ihnen gutzugehen.

Vor ihnen fällt Azarni auf die Knie, schließt Xenos und Nekomaru in ihre Arme: „Ich bin so froh, dass es euch gutgeht.“

Sie drückt die beiden ein Stück zurück und mustert sie: „Euch geht es doch gut?“

„Ja, Mama“, antwortet Xenos erleichtert. „Dir glücklicherweise auch.“

Bevor sie sich weiter aussprechen können, stürmt Zara, Köchin des Anwesens, aus der Tür und stoppt abrupt, als sie alle bereits versammelt sieht. In ihren Händen hält sie ein kleines Stück Papier.

„Junger Herr“, pustet sie. „Ich wollte euch gerade suchen. Ein Rabe hat uns erreicht. Er berichtet Schreckliches.“

Ohne zu zögern greift Xenos nach der Nachricht. Azarni schaut ihm über die Schultern. Die unsaubere Schrift verrät, dass die Botschaft hastig geschrieben wurde. Sie stammt von einer Patrouille, die sich zum Zeitpunkt des Bebens an der südlichen Waldgrenze aufhielt. Von hier hat man einen guten Blick weiter ins Tal. Was Xenos nun jedoch liest, lässt ihm den Atem stocken. In der Ferne haben sie schwarze Blitze beobachtet, als das Beben begann. Ein posaunenartiger Donner drang bis zu ihnen, als sich aus dem unheimlichen Gewitter ein groteskes, elliptisches Konstrukt zu bilden schien. Für Xenos ist klar, was beschrieben wird. Im Tal hat sich eine Pforte ins Reich des Vergessens geöffnet.

„Sangra und ihre Dämonenhorden greifen uns an“, murmelt der Junge ungläubig.

Bevor er sich sammeln kann, spricht Azarni ihre Befürchtungen aus: „Hoffentlich kehrt Guren noch nicht mit meiner Ayame zurück.“

Das ist es. Das wird der Grund sein, schlussfolgert Xenos. Sangra will Ayame zurückholen. Und wo sonst sollte sie sein, wenn nicht hier bei ihrem Bruder, der mit ihr aus Inekoria geflüchtet ist. Erneut ist er dankbar, dass Guren sich ihrer angenommen hat. Seine Hoffnungen decken sich mit denen seiner Mutter. Hoffentlich kehrt Guren nicht zurück, solange Sangra das Tal angreift.


Geschrieben von: Mika
Idee von: Mika
Korrekturgelesen von: May
Veröffentlicht am: 01.09.2022
Zuletzt bearbeitet: ———-
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