Kapitel 18 – Nekomarus Entschluss

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Der Mond wandert immer höher in den Wüstenhimmel. Am Boden ziehen Xenos und Nekomaru durch den losen Sand. „Sind wir bald da?“, fragt Nekomaru, seine Hände um sich geschlungen: „Mir wird kalt.“ In der Nacht kühlt sich die Wüste im Vergleich zu den am Tage herrschenden Temperaturen extrem ab. „Wir müssten bald ankommen. Allzu weit war das Versteck des Kultes der Spinne gar nicht entfernt.“ Ihren zurückgelegten Weg kann man am gelaufenen Pfad im Sand gut nachvollziehen. Leider merken sie nicht, dass sie es sich durch ihr Laufen in Schlangenlinien unnötig schwer machen. Sich in der Wüste zu orientieren ist sehr schwierig.

Plötzlich schrecken beide Kinder auf, eine Art Schrei ertönt. Xenos packt sein Schwert. Nekomaru schaut sich um. Schnell sprintend, läuft ein kleines Tier auf vier Pfoten über die neben ihnen liegende Düne. Es stößt einen quietschenden Schrei aus. Die Jungen sind erleichtert. „Was für ein dummes Ding“, meint Nekomaru: „Warum schreit dieses Vieh wie ein abgestochenes Schwein?“ Xenos zuckt mit den Schultern: „Ich kenne dieses Tier nicht. Ich wusste ja nicht mal, dass es hier solche Tiere gibt. Alles, was hier lebt, dachte ich, sind Schlangen, Skorpione und vielleicht noch Spinnen. Davon sind übrigens fast alle tödlich. Das habe ich vergessen zu erwähnen. Pass also auf.“ Nekomaru wirft Xenos einen entgeisterten Blick zu. „Was denn? Ich dachte, Dämonen sterben nicht durch solche Kleinigkeiten?“ Unkommentiert setzt sich Nekomaru wieder in Bewegung.

Auf der nächsten großen Düne verschaffen sie sich einen neuen Überblick. Nichts als Sand und noch mehr Sand. Doch Xenos kommt etwas bekannt vor. Dieser eine Ausschnitt vorn am Horizont. Das muss der Ort sein, den er aus dem Reich der Toten besucht hat. Schnell läuft Xenos die Düne hinab in Richtung des Versteckes. Nekomaru folgt ihm.

Gleich haben sie das Versteck erreicht. Und ein für alle Mal wird dieser Kult ein Ende finden. Ein wenig komisch findet Xenos es allerdings schon, dass Nekomaru ihm so bereitwillig hilft. Immerhin meinte der Blondhaarige, dass der Kult Arachna, der Dämonenfürstin der Spinnen, gehört. Und wie er auch erwähnte, ist Arachna eine Verbündete seines Vaters. Da er aber noch immer seinem Vater loyal ist, würde er doch nie einem seiner Verbündeten schaden?

Doch für diese Gedanken ist es zu spät. Vor ihnen beginnen sich aus dem Nichts dunkle Blitze zu entladen. Xenos weiß, was das bedeutet. Das Entstehen einer neuen Höllenpforte! Schockiert schaut er zu Nekomaru. Dieser senkt den Blick und grinst finster. „Was hast du getan?“, will Xenos wissen. „Ich? Nichts. Du! Du hast dich wohl im Reich der Toten entdecken lassen. Ups.“ Wütend knirscht Xenos mit den Zähnen, als ein posaunenähnlicher Donner erklingt, der die Pforte zwischen den Welten vollendet. Sie ist jedoch kleiner als normalerweise. Gerade einmal fünf Meter im Durchmesser, schätzt Xenos. Ein fieses, doch bekanntes Lachen erklingt. Ignar tritt durch das Portal. Ungläubig schauen ihn sowohl Xenos als auch Nekomaru an. „Was machst du Verräter hier?“, schreit Nekomaru ihn wütend an. „Ich? Ein Verräter? Wer ist hier der Verräter? Heres ist enttäuscht von dir. Und bevor du weitere Informationen ausplaudern kannst, hat er uns geschickt, um dich zu vernichten.“ Aus der Pforte treten zwei weitere groteske Dämonen. Ein schwarzer gefiederter, vogelähnlicher Dämon mit einem Schwert und ein dickerer roter Dämon mit einem Speer. „Rave! Diego!“, ruft Nekomaru ungläubig: „Was macht ihr hier?“ „Zu Ende bringen, was Igar vermasselt hat, Mensch.“, gibt ihm eines der beiden Monster als Antwort. „Ich bin kein Mensch!“, schreit Nekomaru: „Das kann nicht im Sinne meines Vaters sein.“ „Oh doch“, grinst Ignar: „deinen Verrat sollst du mit deinem Leben bezahlen.“ „Du hast mich hier zurückgelassen! Ich habe nichts verraten.“ „Der große Heres sieht das anders.“ „Hast du ihm überhaupt erzählt, was du getan hast? Dass du mich umbringen wolltest?“ „Natürlich. Und zwar mit der Begründung, dass du zu gefährlich für unsere Pläne seist, du in der Schlacht begonnen hast, mit den Menschen zu sympathisieren, zu denen du gehörst. Als er dich dann in Götterruh sah, hat er es auch erkannt. All die Jahre hat er dich als seinen Sohn gesehen und schließlich ist es so gekommen, wie wir, die Berater deines angeblichen Vaters, es ihm immer schon versucht haben zu sagen. Dass ein Mensch wie du niemals einem Dämonen treu bleiben kann.“

„Du Elender!“, schreit Nekomaru weiter und geht auf Ignar los: „Das war von Anfang an dein Plan. Zwischen mich und Papa einen Keil zu treiben.“ Rave und Diego versuchen, Nekomaru mit ihren Waffen den Weg zu versperren. Doch der Junge lässt sich nicht aufhalten. Mit einem Satz springt er auf ihre Barrikade und stößt sich von dieser noch einmal ab, um einen gewaltigen Faustschlag mitten in Ignars hässlicher Schweinevisage zu landen. Die beiden gehen zu Boden und Nekomaru beginnt wieder und wieder auf ihn einzuschlagen. „Wegen dir hasst mich Papa! Wegen dir sitze ich hier fest! Wegen dir liegt meine Welt in Trümmern!“ Sprachlos und entgeistert schaut Xenos die Situation mit an.

Schließlich greifen Diego und Rave ein und zwingen Nekomaru von Ignar abzulassen. Mit Leichtigkeit entkommt der Junge ihren Angriffen. „Xenos, gib mir meine Sense zurück! Ich muss hier ein paar erbärmlichen Kreaturen den Gnadenstoß verpassen.“ Xenos überlegt und schüttelt den Kopf: „Damit ich danach auch zu diesen Kreaturen zähle? Du hast mich eben erst hintergangen. Es ist deine eigene Schuld, dass Ignar hier ist.“ Weiter weicht Nekomaru den Angriffen der beiden Dämonen aus, während sich Ignar schmerzverzerrt seine blutende Nase hält. „Niemand hat dich je als einen von uns gesehen.“, provoziert Rave den Jungen weiter. „Dass ihr beide mich nie anerkannt habt, ist nichts Neues.“ „Jeder andere auch nicht. Nach außen haben sie so getan, als ob du zu ihnen gehörst. Aber auch nur, weil Heres dich als seinen Sohn gesehen hat. Selbst Heres weiß, dass du nur ein Mensch bist. Alle haben sich dein Leben lang nur verstellt und dich belogen.“ Nekomaru treffen diese Worte hart. Er will das alles nicht hören. Plötzlich sticht Diego von hinten nach dem Jungen. Gerade noch kann er sich zur Seite wenden. Schnell wischt er sich über die Augen. Er ist den Tränen nahe. Von allen fühlt er sich verraten und belogen. Nirgends gehört er wirklich hin. Wenn all das wahr ist, ist sein ganzes Leben falsch und nur ein Wunschtraum. Er will nicht, dass es so ist. Er tat immer alles, um als Dämon anerkannt zu werden, doch immer mehr zweifelt er selbst daran. Wer ist er wirklich?

Seine Gefühle unterdrückend, dreht er Diego seinen Speer aus den Händen, wehrt Raves ankommenden Schwerthieb ab und sticht den Speer mit ganzer Kraft und Wut in Diegos Dämonenwanst. Dieser schreit auf. „Bruder!“, ruft Rave und holt erneut zu einem Schwerthieb aus. Doch Nekomaru verharrt in seiner Position, den Speer fest umklammert, tief in Diegos Körper gebohrt. Schließlich geht der Hieb nieder. Nekomaru bewegt sich nicht. Doch Raves Schwert schlägt gegen das von Xenos, der ihn ernst anschaut. „Misch dich nicht ein, Mensch!“, meint der Dämon. „Nekomaru, was ist mit dir los?“, will Xenos wissen, der mit dem Rücken zu ihm steht. Langsam weicht Diego zurück und zieht seinen Speer, der noch immer vom blondhaarigen Jungen umklammert wird, unter Schmerzen aus seinem Körper. Von den Wangen des Kindes rinnt eine einzelne Träne und tropft auf den trockenen Wüstensand: „Ich will sie alle vernichten.“ Mit einem Hieb seinerseits drängt Xenos Rave zurück. Zwischen den beiden entbrennt ein Schlagabtausch, bis Xenos schließlich ins Fleisch des Dämonen schneidet. Dieser weicht geschockt zurück und begutachtet die Verletzung. Es fault nicht. Durch das Sigil, was Nekomaru daran hindert seine Waffe zu beschwören, wird auch sein Schwert beeinflusst. Rave lacht: „Wie lächerlich.“ Xenos überlegt: „Mit den Fähigkeiten des Schwertes wäre sicher alles einfacher. Aber dann bekäme Nekomaru auch seine Sense. Sicher würde er erst die drei angreifen. Sobald sie besiegt sind, könnte es aber sein, dass er beginnt mich anzugreifen und durch das Portal flieht. Andererseits kann er auch ohne seine Sense durch die Pforte fliehen. Außerdem hat er schon so viele Gelegenheiten gehabt, das Sigil zu zerstören.“

Xenos hat sich entschieden. Er zieht das Pergament aus seiner Tasche und zerreißt es. „Oh nein, der Mensch hat einen Zettel zerrissen. Da habe ich ja jetzt richtig viel Angst.“, provoziert Rave den Nekromanten mit seinem sarkastischen Gerede. „Apparis flatulentarum servus cobolorum“, ein Kobold erscheint neben Xenos: „Flieg durch die Pforte und versuche ihren Ankerstein zu zerstören!“ Währenddessen zieht Diego Nekomaru, der hoffnungslos zu Boden schaut, problemlos den Speer aus der Hand und richtet ihn auf den Jungen: „Gleich gehörst du doch ins Reich der Toten! Als Geist!“ Doch schattenhafter schwarzer Nebel beginnt sich in Nekomarus Händen zu bilden und nimmt die Form seiner Sense an, die schließlich in seinen Händen liegt. Mit glasig feuchten Augen und einem glücklichen, gerissenen Grinsen schaut er seinen Gegner an. Diego weicht angsterfüllt zurück. Unmenschlich schnell schwingt Nekomaru seine Waffe und drängt Diego immer weiter ab. Dieser versucht mit seinem Speer die heftigen Angriffe zu parieren, doch mit einem kräftigen Schlag zerschneidet Nekomaru dessen Waffe in zwei Teile und landet zudem noch einen schmerzhafen Treffer. Der Dämon schreit auf. Doch schon landet Nekomaru den nächsten Treffer. Diego hat keine Chance mehr zu entkommen. Vollkommen in Raserei verfallen, zerteilt er den Dämon in immer kleinere Teile: „Das ist das letzte Mal, dass ihr mir in die Quere kommt. Für euch gibt es nun weder auf der Erde noch im Reich der Toten einen Platz.“ „Diego!“, schreit Rave und versucht an Xenos vorbeizukommen. Nur noch einen Fleischberg zurücklassend, wendet sich Nekomaru Ignar zu. Dieser weicht, die Panik förmlich ins Gesicht geschrieben, zurück Richtung Pforte: „H-hey man, das war doch alles nicht so gemeint. I-ich denke, du hast da was in den falschen Hals bekommen. Wir wollten dir doch nur zeigen, dass du hier viel glücklicher werden kannst als bei uns im dunklen Reich der Toten. K-komm schon, Kumpel.“ Doch Ignar merkt, dass seine leeren Worte auf Nekomaru keinen Einfluss mehr haben. „R-Rückzug!“, ruft er Rave zu und rennt panisch Richtung Höllenpforte. Nekomaru setzt auch zum Sprint an, fest entschlossen, Ignar nicht entwischen zu lassen. Mit einem letzten Schwung trennt der dem hinterhältigen Schweinedämon den linken Unterarm ab, bevor dieser doch durch das Portal entwischt. Auch Rave dreht sich um und flieht zurück durch das Portal. Xenos senkt sein Schwert und schaut erwartungsvoll zu Nekomaru. Voller Zorn blickt dieser auf die Pforte in Richtung seines Zuhauses. Schließlich senkt auch er seine Waffe. Zögerlich fragt Xenos: „Willst du nicht … zurück?“ „Zurück wohin?“, will der Blondhaarige wissen: „Mein Papa will mich tot sehen. Keiner dort drüben ist wirklich mein Verbündeter. Ich gehöre hier nicht her. Aber scheinbar genauso wenig dort hin.“ Leicht senkt Xenos mitfühlend den Kopf und geht auf ihn zu. Die Pforte bricht in sich zusammen und Nekomarus Möglichkeit nachhause zurückzukehren verschwindet. Langsam legt Xenos seine Hand auf Nekomarus Schulter. Er ist nicht allein.


Geschrieben von: Mika
Idee von: Mika
Korrekturgelesen von: May
Veröffentlicht am: 01.12.2017
Zuletzt bearbeitet: ———-
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